Issues Management im Nonprofit-Bereich

posted on 11 Feb 2021

Issues Mana­ge­ment hat ein hohes Poten­zial für Non­pro­fit-­Or­ga­ni­sa­tio­nen und kann dabei behilf­lich sein, das Span­nungs­feld zwi­schen auf­kom­men­der Kon­kur­renz­si­tua­tion und Kom­mer­zia­li­sie­rung des Dritt­sek­tors sowie der eige­nen Wer­te­ori­en­tie­rung und der Arbeit mit stark vul­ne­ra­blen Men­schen ziel­füh­rend im Auge zu behal­ten. Dies zeigt eine Unter­su­chung von Silja Koch Ger­mann und Eva Zwah­len im Auf­trag der Cari­tas Aar­gau.

Text: Eva Zwah­len & Silja Koch Ger­mann, Mas­ter­stu­die­rende Soziale Arbeit Ber­ner Fach­hoch­schule BFH

Über­neh­men Non­pro­fit-­Or­ga­ni­sa­tio­nen (NPO) Instru­men­te, die ihren Ursprung im Pro­fi­tum­feld haben, so erge­ben sich dar­aus unter­schied­li­che poten­ti­elle Span­nungs­fel­der. Dies liegt unter ande­rem an den unter­schied­li­chen Ziel­set­zun­gen: Non­pro­fit-­Or­ga­ni­sa­tio­nen ori­en­tie­ren sich an einer star­ken Sach­ziel­do­mi­nanz, woge­gen For­pro­fit-­Or­ga­ni­sa­tio­nen eine For­mal­ziel­do­mi­nanz besit­zen. Gleich­zei­tig kön­nen die Gren­zen zwi­schen Pro­fi­t­or­ga­ni­sa­tio­nen und NPO in vie­len Berei­chen nicht mehr trenn­scharf gezo­gen wer­den: For­pro­fit-­Or­ga­ni­sa­tio­nen ent­wi­ckeln Wer­te­ko­di­zes, kom­mu­ni­zie­ren wer­te­ba­siert und beken­nen sich zu Cor­po­rate Social Respon­si­bi­li­ty, weil die Anfor­de­run­gen der Öffent­lich­kei­ten gestie­gen sind. NPO wie­derum haben Leis­tungs­ver­träge mit der öffent­li­chen Hand, agie­ren in einer hoch­kom­ple­xen Umwelt und haben häu­fig mit hei­klen The­men zu tun, die ein sorg­fäl­ti­ges Risk und Issues Mana­ge­ment unum­gäng­lich machen.

Kom­ple­xi­tät eines hoch­sen­si­blen Umfelds
NPO, ins­be­son­dere sol­che des Sozi­al­be­reichs, bewe­gen sich in einem hoch­sen­si­blen Umfeld: Die Men­schen und ihre Ange­hö­ri­gen, mit denen die Sozi­al­ar­bei­ten­den zu tun haben, befin­den sich oft­mals in Aus­nah­me­si­tua­tio­nen, zu deren Bewäl­ti­gung sie auf pro­fes­sio­nelle Bera­tung zurück­grei­fen. Dabei stos­sen die Fach­leute nicht sel­ten in Lebens­be­rei­che vor, die für die Kli­en­tin­nen und Kli­en­ten sehr per­sön­lich sind, Wider­stände her­vor­ru­fen oder Ziel­kon­flikte pro­du­zie­ren kön­nen. Die Kom­ple­xi­tät orga­ni­sa­tio­na­len Han­delns wird durch die Ansprü­che wei­te­rer Sta­ke­hol­der erhöht. Auch inten­si­vie­ren all­ge­meine gesell­schaft­li­che Trends, wie bei­spiels­weise die Digi­ta­li­sie­rung oder gestei­gerte Skan­da­li­sie­rungs­ri­si­ken, diese zusätzlich.

Sys­te­ma­ti­sches Moni­to­ring der Unternehmensumwelt
Das sys­te­ma­ti­sche Moni­to­ring der Unter­neh­men­sum­welt sowie das Anti­zi­pie­ren von öffent­lich­keits­wirk­sa­men The­men (Is­sues genannt), die für die eigene Orga­ni­sa­tion rele­vant sind, diese poten­ti­ell in ihrer Hand­lungs­fä­hig­keit ein­schrän­ken oder ihre Repu­ta­tion gefähr­den kön­nen, haben für NPO einen zen­tra­len Stel­len­wert. Issues Mana­ge­ment lässt sich defi­nie­ren als ein sys­te­ma­ti­sches Ver­fah­ren, das durch koor­di­nier­tes Zusam­men­wir­ken von stra­te­gi­schen Pla­nungs- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­funk­tio­nen interne und externe Sach­ver­hal­te, die eine Begren­zung stra­te­gi­scher Hand­lungs­spiel­räume erwar­ten las­sen oder ein Repu­ta­tionsrisiko dar­stel­len, früh­zei­tig loka­li­siert, ana­ly­siert, prio­ri­siert und aktiv durch Mass­nah­men zu beein­flus­sen ver­sucht sowie diese hin­sicht­lich ihrer Wirk­sam­keit evaluiert.

NPO für Issues Mana­ge­ment prädestiniert
Die Unter­su­chung von Silja Koch Ger­mann und Eva Zwah­len hat gezeigt, dass es mit Blick auf Issues Mana­ge­ment keine Rolle spielt, ob eine Orga­ni­sa­tion pro­fi­t­ori­en­tiert ist oder ob es sich um eine NPO han­delt. Orga­ni­sa­tionen in dyna­mi­schen Umfel­dern und mit Sta­ke­hol­dern, wel­che mass­ge­blich Ein­fluss auf die Orga­ni­sa­tion neh­men kön­nen, soll­ten sich sys­te­ma­tisch mit den­sel­ben aus­ein­an­der­set­zen. Wei­tere Erkennt­nisse sind:

  • Issues Management ist massgeblich an verfügbare Ressourcen gekoppelt.
  • Issues Management hat einen direkten Bezug zum Risikomanagement und zur strategischen Planung einer Organisation.
  • Issues Management stösst interne Denkprozesse an, hat eine interne Integrationsfunktion und einen organisationskulturellen Aspekt.
  • Eine Krise ist häufig ein Anlass für Issues Management und dafür, dass betroffene Organisationen ihre Prozesse professionalisieren.
  • NPO müssen, weil ihre Arbeit stark in die Gesellschaft eingebettet ist, grundsätzlich offen für Issues Management sein.
  • Issues Management kann in NPO zentral oder dezentral organisiert werden. Dies hängt massgeblich davon ab, welche Informationen man gewinnen will und wo oder wie die Informationen verfügbar sind.
  • NPO haben einen steten Grundkonflikt zwischen Öffnung und der Missionsbindung. Sie bewegen sich in Widersprüchlichkeiten, die nie auflösbar sind.
  • Social Media sind für NPO eine Möglichkeit und Quelle, an relevante Informationen heranzukommen. Auch hier muss die Ressourcenfrage im Auge behalten werden.
  • Verbände könnten für NPO die Aufgabe des Issues Managements (via Social Media) übernehmen, wie sie dies oftmals auch beim Lobbying machen.

Die Unter­su­chung hat absch­lies­send gezeigt, dass das Instru­ment des Issues Mana­ge­ment ein hohes Poten­zial für NPO hat und dabei behilf­lich sein kann, das Span­nungs­feld zwi­schen auf­kom­men­der Kon­kur­renz­si­tua­tion und Kom­mer­zia­li­sie­rung des Dritt­sek­tors sowie der eige­nen Wer­te­ori­en­tie­rung sowie der Arbeit mit stark vul­ne­ra­blen Men­schen gewinn­brin­gend und ziel­füh­rend im Auge zu behal­ten.

Literatur

Eise­neg­ger, Mark & Künst­le, Daniel. (2014). Issu­es- und Repu­ta­ti­ons­mo­ni­to­ring. In Heike Schol­ten & Klaus Kamps (Hrs­g.), Abstimmungskampagnen (S. 279-301). Wies­ba­den: Sprin­ger VS.

Gmür, Mar­kus & Will, René. (2015). Risi­ko­ma­na­ge­ment als Füh­rungs­auf­ga­be. Ver­bands- Mana­ge­ment, 2/2015, 6-14.

Ingen­hoff, Diana & Rött­ger, Ulri­ke. (2006). Issues Mana­ge­ment. In Beat F. Schmid & Boris Lyc­zek (Hrs­g.), Unternehmenskommunikation (S. 319-350). Wies­ba­den: Gabler.

Koch Ger­mann, Silja & Zwah­len, Eva. (2021). Issues Mana­ge­ment im Non­pro­fit-­Be­reich – Mehr­wert & Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten, dar­ge­stellt am Bei­spiel Cari­tas Aargau (Un­ver­öf­fent­lich­ter Leis­tungs­nach­weis). Ber­ner Fach­hoch­schule – Soziale Arbeit: Bern.

Krum­menach­er, Jürg, Buer­k­li, Chri­sto­ph, Bürk­ler, Paul & Schny­der, Albert. (Hrs­g.). (2019). Mana­ge­ment von Nonprofit-Organisationen. Genf und Zürich: Seismo.


Forschungsfrage und Untersuchungsdesign

Im Auf­trag der Cari­tas Aar­gau sind Silja Koch Ger­mann und Eva Zwah­len im Rah­men einer Semes­ter­ar­beit unter ande­rem der For­schungs­frage nach­ge­gan­gen, wel­ches der Mehr­wert und die Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten des Issues Mana­ge­ment im Non­pro­fit-­Be­reich sind. Dabei unter­such­ten sie wei­ter, wel­che aktu­el­len For­schungs­er­geb­nis­se, Trends und Metho­den es zu Issues Mana­ge­ment im All­ge­mei­nen und ins­be­son­dere im NPO-­Be­reich gibt. Zur Gewin­nung die­ser Infor­ma­tio­nen ver­ban­den die bei­den Auto­rin­nen die Erkennt­nisse einer Lite­ra­tur­re­cher­che mit einem Exper­ten­in­ter­view, das sie mit Prof. Dr. Mar­kus Gmür, Lehr­stuhl für NPO-Mana­ge­ment am Insti­tut für Ver­bands-, Stif­tungs- und Genos­sen­schafts­ma­na­ge­ment (VMI) der Uni­ver­si­tät Frei­burg, durchführten.


Zu den Autorinnen

Silja Koch Ger­mann ist aus­ge­bil­dete Sozi­al­ar­bei­te­rin (BSc in Sozia­ler Arbeit FHN­W). Sie hat lang­jäh­rige Erfah­rung als Case Mana­ge­rin im Bereich der Sucht­hilfe und inter­es­siert sich ins­be­son­dere für stra­te­gi­sche Kon­zepte und Mana­ge­men­t­an­sätze im Bereich der Sozia­len Arbeit. Seit 2019 absol­viert sie das Mas­ter­stu­dium Soziale Arbeit an der Ber­ner Fach­hoch­schule BFH. Eva Zwah­len ver­fügt über lang­jäh­rige Berufs­er­fah­rung im Bereich der Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­tion im Public- und Non­pro­fit-­Be­reich und hat ein MAS in Com­mu­ni­ca­tion Mana­ge­ment HSLU. Sie stu­diert eben­falls seit 2019 im Mas­ter Soziale Arbeit an der Ber­ner Fach­hoch­schule BFH.

Silja Koch Germann
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Eva Zwahlen
Eva Zwahlen

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